web analytics

Klimawandel und Kosten für die Wirtschaft

Oft hört man davon, dass Klimaschutz Kosten verursacht und diese werden oft als Argument angeführt, um keinen oder nur halbherzigen Klimaschutz zu betreiben. Doch was kostet es eigentlich, das Klima nicht zu erhalten? Weshalb drängt auch die Wirtschaft immer mehr nach mehr Klimaschutz [1]? Schauen wir uns zunächst an, welche Kosten durch den Klimawandel heute entstehen, d.h. bei global ca. 1°C Erwärmung (in Deutschland etwas mehr):

Kosten durch Hitzewellen und Dürren: 12,3 Mrd. wirtschaftliche Schäden in Europa alleine 2003

https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/thumb/f/f7/20180818120DR_Hartmannsdorf-Reichenau_Talsperre_Lehnm%C3%BChle.jpg/640px-20180818120DR_Hartmannsdorf-Reichenau_Talsperre_Lehnm%C3%BChle.jpg
Talsperre Lehnmühle (genutzt zur Trinkwasserversorgung Dresdens) im August 2018 (Jörg Blobelt, wikimedia.org, CC BY-SA 4.0).

Wichtig ist zu verstehen, dass es nicht alleine um die Temperatur oder das Schmelzen von Eis geht, sondern, dass die Klimadynamik als Ganzes betroffen ist. Es kommt beispielsweise zu längeren Hitze oder Kältewellen [2], so wie 2003, 2010, 2015, 2017 oder 2018. Das Jahr 2003 ist besonders gut untersucht, hier war die durchschnittliche Temperatur in Bodennähe bis zu 15°C höher als den Jahren zuvor [3]. Allein diese eine Hitzewelle hat in Europa ca. 70 000 Hitzetote gefordert [4] und wirtschaftliche Schäden von 12.3 Mrd € verursacht [5]. Im Jahr 2019 gab es eine Hitzewelle mit bis zu 42.6°C in Deutschland und überdurchschnittlich vielen Sonnenstunden [6]. Die neun wärmsten Jahre seit Beginn der Aufzeichnungen lagen zwischen 2010 und 2020 [7]. Nun mag man meinen, Hitzewellen und andere Extremereignisse kämen auch natürlicherweise vor. Wenn man aber die Häufigkeit extremer Ereignisse weltweit betrachtet, ist ein eindeutiger Anstieg zu sehen. In Deutschland hat sich die Zahl an Tagen mit 30°C oder mehr pro Jahr seit 1950 verdreifacht [8].

https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/thumb/1/1b/Niedrigwasser_am_Jungferngrund_im_Rhein_%2846512162575%29.jpg/1024px-Niedrigwasser_am_Jungferngrund_im_Rhein_%2846512162575%29.jpg
Niedrigwasser des Rheins während der Dürre 2018 führte zu Behinderung der Schifffahrt und in Folge zu Produktionsstops bei der BASF und Thyssenkrupp (Bild: Bundesamt für Wasserbau, wikimedia.org, CC BY-SA 2.0).

Die Hitzewelle 2018 in Europa ging mit Dürren und Waldbränden in Schweden, Norwegen, Lettland, Deutschland, Großbritannien und Irland einher [9]. Die Schäden für die Landwirtschaft werden alleine in Deutschland auf 770 Mio. Euro beziffert [10]. Der Bund hatte 340 Mio. Euro für Landwirte bereitgestellt. Die Ernteeinbußen lagen europaweit bei bis zu 50%, Schäden bei 3.9 Mrd. Euro, 100 Todesopfer waren zu beklagen [11]. Außerdem haben Waldbrände in vielen Ländern Europas zusätzliche Schäden verursacht. Die Arbeitsgemeinschaft Deutscher Waldbesitzerverbände hat für Deutschland Schäden von 5.4 Mrd. Euro beziffert, verursacht durch Waldbrände, vertrocknete Bäume und Borkenkäfer (dessen Entwicklung durch höhere Temperaturen gefördert wird) [12]. Auf Flüssen musste der Schiffverkehr wegen Niedrigwasser teilweise eingestellt werden, was die Versorgung von Kohlekraftwerken bedrohte und zu Produktionsstopps bei der BASF und Thyssenkrupp führte [13]. Tatsächlich investierte BASF in Folge in die Entwicklung neuer Niedrigwasserschiffe [14]. Ähnlich sieht es in Nordamerika aus: 2018 wurden in Kalifornien durch Waldbrände die höchsten Sachschäden durch Waldbrände aller Zeiten verursacht. Die Waldbrände in den USA haben etwa 100 Todesopfer gefordert und Schäden von 21.7 Mrd US$ [15].

Links: Temperaturverlauf in Deutschland seit 1881. Abgebildet sind die positiven und negativen Abweichungen der Lufttemperatur vom Mittelwert 1961 – 1990 sowie die zu erwartende Zunahme bis 2100 (Quelle: Deutscher Wetterdienst). Rechts: Anzahl von Klima-/wetterbedingten Naturkatastrophen weltweit (nach: Münchner Rück)

Kosten durch Niederschlag, Überschwemmungen und Stürme: 190 Mio. Euro Schäden durch Hagel in Bayern bei einem einzigen Unwetter 2019

Zerstörte Siedlungen nach Hurrican Katrina (L. Kachelhofer, wikimedia.org, CC0, US Navy).

Wärmere Luft kann mehr Wasser aufnehmen als kalte (ca. doppelt so viel pro Erhöhung um 10°C [16]). Dadurch kommt es zu Unterschieden zwischen der Luft über Landmassen (die eher trockener werden) und Ozeanen (wo die Luftfeuchtigkeit ansteigt). Die steigenden Temperatur- und Feuchteunterschiede begünstigen extremere Wetterereignisse. Schäden solcher Ereignisse hat u.a. die Münchner Rück weltweit erfasst (die u.a. gegen Schäden durch extreme Wetterereignisse versichert). Folgende dem Klimawandel geschuldete Extremwetterereignisse nennt sie: Waldbrände, Hagelschäden, Hitzewellen, extreme Stürme (inkl. tropische, d.h. Zyklone, Taifune, Hurrikans), extreme Regenereignisse, Überschwemmungen [17]. Insbesondere stärkere Stürmehaben in jüngster Vergangenheit immense Schäden verursacht. Der ‚teuerste Sturm‘ war 2005 Hurrikan Katrina, der 1322 Menschenleben forderte und 125 Mrd US$ Schäden verursacht hat [18]. Fünf Bundesstaaten der USA waren betroffen. Weitere Stürme und Extremwetterereignis seit dem Jahr 2000 sind in folgender Tabelle aufgeführt:

JahrMenschenlebenSchädenBemerkungen
Hurrikan Katrina, USA20051 322125 Mrd US$Bisher ‚teuerster‘ Sturm
Zyklon Nargis, Myanmar2008140 0004 Mrd US$
Überschwemmungen, Pakistan201017609.5 Mrd US$Größte Naturkatastrophe in Pakistan bisher
Hurrikan Sandy, USA201221068.5 Mrd US$
Taifun Haiyan, viele Länder20136 33410.5 Mrd US$
Hurrikan Maria, USA2017>3 000>96.1 Mrd US$
Präsident Bush bei Opfern von Hurrican Katrina (US Federal Government, wikimedia.org, CCO).

Insbesondere über dem Atlantik sind Stürme häufiger geworden. Da tropische Stürme eine Mindesttemperatur über den Ozeanen benötigen, um entstehen zu können, und die Temperatur anstieg, kommen solche Stürme inzwischen schon in nördlicheren Breitengraden vor als bisher [19].

Stürme oder Extremwetterlagen verursachen aber nicht nur durch starke Winde oder große Regenmengen Schäden. Vor allem in gemäßigteren Zonen kann auch Hagel beträchtlichen Schaden anrichten. Kürzlich hat eine Studie in Zusammenarbeit mit der Münchner Rück anhand von Daten aus den letzten 37 Jahren [20] gezeigt, dass auch die Zahl der Hagelereignisse in Europa deutlich zunahm. Kleine Hagelkörner (bis 2 cm) verursachen in der Regel vor allem Ernteausfälle, da Pflanzen zerstört werden, oder Schäden an Kraftfahrzeugen. Größere sind für Mensch und Tier lebensgefährlich und können beträchtliche Schäden an Fassaden, Scheiben oder Dächern verursachen. Bei einem einzigen Unwetter in Bayern gab es durch Hagelschäden 2019 ca. 190 Mio. Euro Schäden. 20 000 Fahrzeuge wurden verbeult, Scheiben und Solaranlagen zerschlagen, Rollos und Fassaden zerstört [21].

Indirekte Folgen: 405 Millionen Menschen werden weltweit wahrscheinlich ihre Heimat in verlieren

Sturmwehr bei Rotterdam (Michielverbeek, wikimedia.org, CC BY-SA 3.0). Klimawandel-bedingte Kosten für Küstenschutz werden für die Niederlande auf 9 Mrd. bis 80 Mrd. Euro beziffert, je nachdem wie weit der Klimawandel begrenzt werden kann [26].

Beim Klimawandel denken viele als erstes an Eis und Eisbären. Für Deutschland ist das schmelzende Eis zunächst kein direktes Problem, wohl aber ein indirektes. Die begonnene Schmelze des Eisschildes auf Grönland wird den Meeresspiegel zwar um 7 m erhöhen, das wird jedoch nicht komplett dieses Jahrhundert geschehen und Deutschland kann mit einem erhöhtem Meeresspiegel noch vergleichsweise gut umgehen (wenn man Halligen oder sehr küstennahen Orten absieht). Anders sieht es aber in anderen Teilen der Welt aus, wie den USA, Niederlanden und vielen anderen Ländern. Bauprojekte zum Schutz der Küsten haben in Miami, New York, Amsterdam, und anderen Orten schon begonnen oder sind in Planung [22]. Indonesien verlegt die sogar seine Hauptstadt Jakarta, da diese langsam absinkt und gleichzeitig der Meeresspiegel steigt [23]. Indirekte Folgen haben ein ansteigender Meeresspiegel oder Dürren aber durchaus für Deutschland. Die sich verschlechternden Umweltbedingungen (durch steigenden Meeresspiegel oder Dürren) führen zu starken Migrationsbewegungen, überall auf der Welt. Die IOM (International Organization for Migration) rechnet bis 2050 mit weltweit 405 Millionen Flüchtigen [24]. Das sind mehr Menschen als derzeit in den USA leben. Auch Menschen in den Niederlanden oder deutschen Küstenregionen könnten dazu zählen. Es könnte also sinnvoll sein unsere Kinder international zu erziehen und viele Sprachen lernen zu lassen. 

Es wird viel zu teuer, beim Klimaschutz zu sparen

Der Klimawandel verursacht also schon jetzt enorme Kosten. In der Zukunft sieht es nicht besser aus. Selbst wenn das von praktisch allen Staaten unterzeichnete Pariser Übereinkommen eingehalten wird (d.h. wenn die Erwärmung deutlich unter 2°C bliebe), wird der Klimawandel dadurch nicht sofort gestoppt, sondern es ist mit Kosten in Billionenhöhe zu rechnen [25]. Werden die Pariser Ziele nicht eingehalten, explodieren die Kosten sogar und sind kaum mehr aufzubringen. Menschliches Leid ist vorprogrammiert, wenn z. B. kein Geld mehr da ist, um alle mit Trinkwasser oder Nahrung zu versorgen. Auch ein wirtschaftlicher Kollaps wäre in manchen Gegenden die Folge. Wollen wir, dass es so kommt und dass wir z. B. unsere Kinder damit konfrontiert werden? Wenn nicht, dann könnten wie jetzt Maßnahmen ergreifen und Klimaschutz sogar als Chance für die Wirtschaft erkennen. Das geeignete Schritte wirtschaftlich wie gesellschaftlich sinnvoll und machbar sind, steht außer Frage. Und es geht nicht um Halbherziges oder Absichtsbekundungen. Nicht kleckern, sondern klotzen! Die Frage ist, trauen wir uns? Wollen wir Probleme verdrängen und so vergrößern oder sind wir Macher, die Lösungen finden und Chancen erkennen?


Quellen

  1. Artikel von AP News “Business leaders urge Biden to set ambitious climate goal“, offener Brief der Investmentgesellschaft Blackrock “Eine grundlegende Umgestaltung der Finanzwelt“, Artikel im Spiegel “Investoren fordern scharfen Klimaschutz beim Neustart der Wirtschaft” und Artikel im Handelsblatt “Appell der Wirtschaft: Mehr als 60 Unternehmen fordern Bekenntnis zum Klimaschutz“.
  2. Wichtig ist insbesondere der Einfluss auf die Luftfeuchte und die gehäuft auftretenden sogenannten Omega-Wetterlagen durch die Hitzewellen (oder Kältewellen) über lange Zeit an einem Ort fest gehalten werden. Siehe z.B. Miralles D. et al. 2014. Mega-heatwave temperatures due to combined soil desiccation and atmospheric heat accumulation. Nature Geoscience 7: 345-349. Online.
  3. Solomon D. et al. 2007. Climate Change 2007: The physical science basis. Contribution of Working Group I to the Fourth Assessment Report of the Intergovernmental Panel on Climate Change. Cambridge University Press, Cambridge, United Kingdom and New York, NY, USA, Chapter 8, Fig. 2b. Online.
  4. Robine J.-M. et al. 2005. Report on excess mortality in Europe in Summer 2003. Heat Wave Project. EU Community Action Programme for Public Health. Online.
  5. Höppe P. 2015. Naturkatastrophen, immer häufiger, heftiger, tödlicher, teuerer? Munich Re Foundation. Online, Climate Service Center Germany (GERICS): Hitzewellen Europa. Online
  6. Daten des DWD, zusammen gefasst in Spiegel Online Artikel „Wetterdaten 2019: Der Klimawandel ist auf der Überholspur“ (30.12.2019)
  7. Statista “Die weltweit wärmsten Jahre seit Beginn der Messung im Jahr 1880 nach Abweichung von dem globalen Durchschnitt
  8. Münchner Rück 2019. Heatwaves, drought and forest fires in Europe: Billions of dollars in losses for agricultural sector. Online.
  9. World Meterological Organisation 2019. WMO statement on the state of the global climate in 2018. WMO-No. 1233. Online.
  10. Bundesministerium für Ernährung und Landwirschaft 2018. Trockenheit und Dürre – Überblick der Maßnahmen. Online.
  11. Münchner Rück 2019. Heatwaves, drought and forest fires in Europe: Billions of dollars in losses for agricultural sector. Online und Löw P. 2019. The natural disasters of 2018 in figures. Munich Re. Online.
  12. Artikel auf t-online (Quelle Reuters): Trockenheit steuert auf absoluten Ausnahmewert zu. Online.
  13. Artikel in der Zeit “Niedrigwasser führt zu Lieferengpässen und Preissteigerungen“.
  14. Artikel in Logistic Express “BASF stellt innovatives Tankschiff für Rhein-Niedrigwasser vor“.
  15. Löw P. 2019. The natural disasters of 2018 in figures. Munich Re. Online.
  16. Artikel auf t-online (Quelle Reuters): Trockenheit steuert auf absoluten Ausnahmewert zu. Online und Wikipedia Artikel über relative Luftfeuchte. Online.
  17. Faust E., Rauch E. 2018. Record high temperatures and more extreme weather – Climate change and its consequences. Online.
  18. Höppe P. 2015. Naturkatastrophen, immer häufiger, heftiger, tödlicher, teuerer? Munich Re Foundation. Online.
  19. Kossin J. P. et al. 2014. The poleward migration of the location of tropical cyclone maximum intensity. Nature 509: 349–352. Online.
  20. Rädler A.T. et al. 2018: Detecting severe weather trends using an Additive Regressive Convective Hazard Model (ARCHaMo). Journal of Applied Meteorology and Climatology 57: 569-587. Online.
  21. Warkocz M. 2019. Das Hämmern nach dem Hagel. Süddeutsche Zeitung. Online.
  22. Walker A. 2017. How cities can stand up to climate change. Artikel auf curbed.com. Online. Siehe auch diese Video und Artikel in The New York Times “The $119 Billion Sea Wall That Could Defend New York … or Not“, Artikel in The Verge “NYC mayor has a $10 billion plan to protect Manhattan from rising seas“.
  23. Artikel in The Jacarta Post “Jakarta among cities most threatened by rising sea levels, extreme weather: Report“.
  24. International Organization for Migration (IOM) 2018. World migration report 2018. Online
  25. Artikel in Manager Magazin “Kosten des Klimawandels gehen in die Billionen“.
  26. Aerts, J. und Botzen, W. 2012. Climate Adaptation Cost for Flood Risk Management in the Netherlands. Präsentation bei der Konferenz: Against the Deluge: Storm Surge Barriers to Protect New York City. Online.

Das könnte dich auch interessieren …